Ab durch die Wüste

Die letzten Kilometer auf dem Fahrrad stehen an und es heisst ab durch die Wüste! Ein Hauch von 1001 Nacht begleitet uns und macht diesen letzten Abschnitt zu einem ganz besonderen Erlebnis.

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Den Iran aus 1001 Nacht, so wie man sich das Land vielleicht vorstellt, haben wir bis jetzt noch nicht entdeckt. Das soll sich nun ändern. Nach den Auf und Ab's in Kurdistan begeben wir uns via Bus in flachere Gefilde. Doch bevor wir unsere Hinterteile wieder auf die Sättel schwingen, besuchen wir die bekannte Stadt Isfahan.

Wer sich ein bisschen mit dem Iran auseinander setzt kommt nicht um Isfahan herum, eine der schönsten Städte im Land, wie man sagt, und sie wird auch als "die Hälfte der Welt" betitelt. Wie wohl die meisten starten wir den Besuch auf dem Naqsch-e Dschahan Platz welcher als einer der grössten Plätze weltweit gilt und zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Die prächtigen Bauten sind geschmückt mit farbigen Fliesen und Mosaiken, an denen man sich kaum sattsehen kann. Die andersartige Bauweise und Formsprache ist faszinierend und widerspiegelt die einstige Pracht des persischen Reiches.

Die nächsten Tage bummeln wir durch die wirren Gänge des riesigen Bazars, beobachten Handwerker bei ihrer filigranen Arbeit, trinken Kaffee in modernen Kaffees, besuchen das armenische Viertel und die Kirchen dort und beobachten das Treiben auf den Strassen. Wer denkt, in einer touristischen Metropole werde man weniger angesprochen, der täuscht sich. Auch hier werden wir oft nach unserer Herkunft gefragt, Selfies werden geschossen, wir werden nach unsere Meinung über das Land gefragt und freundlich willkommen geheissen in ihrem Iran. Wer sich nun eine völlig überfüllte touristische Stadt wie z.B. Paris vorstellt, der wird eines besseren belehrt. Obwohl diese Stadt eine der meistbesuchten ist, ist davon ausserhalb des berühmten Platzes kaum etwas zu spüren. Insbesondere der internationale Tourismus scheint sich sehr in Grenzen zu halten, so unser subjektiver Eindruck.

Nach ein paar Tagen im Stadttrubel freuen wir uns nun wieder auf die Natur und das Unterwegssein. Die Wüste ruft. Ein Grossteil des Irans ist Wüste und wir wollen uns das Erlebnis, mit dem Fahrrad durch diese Region zu reisen nicht entgehen lassen. Bevor der richtig heisse Sommer kommt, packen wir die Gelegenheit und radeln in Richtung Yazd, eine richtige Wüstenmetropole. So flach war es schon lange nicht mehr und wir kommen flott voran, wenn auch die Landschaft wenig fürs Auge hergibt und dazu der Verkehr eher dicht ist. Doch je länger wir unterwegs sind, umso tiefer tauchen wir in die Wüste ein und entdecken trotz der Einöde immer wieder etwas. Erste Taubentürme (aus Lehmziegeln gebaute Türme, wo früher Taubenkot als Dünger gesammelt wurde) erscheinen am Horizont, typische Lehmbauten, zerfallende Karawansereien und ab und zu die farbige Kuppe einer Moschee sorgen für Abwechslung. In Varzaneh ist eine alte Mühle gut erhalten und man kann zusehen, wie das Kamel unter singender Anleitung den Mahlstein antreibt. In diesem Dorf stechen uns erstmals die vielen Frauen mit dem Tschador (grosses, meist dunkles Tuch als Umhang um Kopf und Körper, welches lediglich das Gesicht oder Partien des Gesichts frei lässt) ins Auge. Bis anhin war dies eher die Ausnahme, doch hier sind praktisch alle in dieser komplett körperbedeckenden Kleidung unterwegs. Im Verlauf der Reise lernen wir, wie die Umsetzung der Kleidernormen sehr stark variiert. Während in manchen Dörfern praktisch alle Frauen in den Tschador gehüllt sind, sind in anderen Dörfern die Kopftücher eher noch symbolisch knapp über dem Hinterkopf hängend.

Die Wüste scheint im ersten Moment langweilig aber gleichzeitig löst sie eine Faszination bei uns aus. Wir radeln elend gerade Strecken durch die Ebene, wo die Besiedelung zunehmend verschwindet. Die eintönige Landschaft fasziniert und wir staunen über die Weite, die wechselnde Bodenstruktur, die flimmernden Fata Morganas und die Sanddünen in der Ferne. Sogar ein Salzsee liegt am Weg. Der Wind ist ein ständiger Begleiter diese Tage, zum Glück für einmal auf unserer Seite, was natürliche eine willkommene Unterstützung ist. Hingegen ist der Schatten ein rares Gut und die Sonne brennt ununterbrochen, wir müssen improvisieren für die Mittagspause. Gut haben wir zwei Räder über die sich die Picknickdecke spannen lässt, so dass wir immerhin zum Essen Schatten haben. Dankbar sind wir auch für die netten Herren, die uns mit Wassermelone beschenken, ein wahres Highlight an einem solchen Tag. Gegen Abend erreichen wir das Tagesziel, eine langsam zerfallende Karawanserei irgendwo in der Wüste. Hier schlagen wir unser Zelt auf und sind äusserst erfreut, als plötzlich ein weiterer Radfahrer auftaucht. Der Franzose ist in die Gegenrichtung unterwegs und so verbringen wir einen gemütlichen Abend mit guten Gesprächen und Sternenbeobachtung in der Karawanserei. Gegen Elf legen wir uns in unsere Zelte, und dann geht es erst richtig los. Vorbei die friedlichen Zeiten irgendwo in der Natur. Mehrere Autos voller feierfreudigen Iraner stoppen in der Karawanserei. Fast bis 4 Uhr morgens ist Rambazamba, es ist kaum an Schlaf zu denken. Pünktlich zu ihrer Schlafenszeit krabbeln wir wieder aus unseren Nestern, denn die frühen kühlen Morgenstunden wollen ausgenutzt werden.

Wir verabschieden uns von unserem Fahrradgenossen und treten in die Pedalen, motiviert durch die morgendlichen Temperaturen und das schöne Licht. Der Tag vergeht ruckzuck, häufige Fotostopps der schönen Landschaft, Tee trinken mit den Bauarbeitern und unsere Vorräte auffüllen lassen die Zeit nur so verfliegen. Ein kurzer Exkurs zu den Vorräten. Meist gibt in diesen Dörfern einen Shop, wo hauptsächlich Chips, Kekse und Hygieneartikel verkauft werden. Dazu kommt, dass der Geschmack eben dieser Chips häufig nicht dem unsrigen entspricht. So finden sich etwa Ketchup Chips oder ähnliche. Daher fällt es uns nicht so leicht, leckere Mahlzeiten zu kochen oder ausgiebiges Picknick einzukaufen, aber wir schlagen uns durch. In Nodoushan, einem kleinen Wüstenstädtchen, übernachten wir fürstlich in einem Schloss, wo wir die einzigen Gäste sind. Preis/Leistung haut uns fast um (im positiven Sinne) und wir geniessen diese schöne Location in vollen Zügen, denn auch das Städtchen hat Charm und ist ein erster Vorgeschmack auf das was noch kommt in Yazd. Nodoushan, definitiv ein Geheimtipp, wenn jemand in dieser Region unterwegs ist.

Der nächste Tag ist gleichzeitig unser letzter auf dem Fahrrad, aber auch sonst bleibt der Tag in bleibender Erinnerung. So richtig fassen können wir es noch nicht, dass dies die letzten Kilometer auf den Stahlrössern sind, aber auch diese müssen gefahren werden. Nach ca. 10km leicht bergab und mit Rückenwind erreichen wir die Salzterrassen von Nodoushan. Ein kleines Pamukkale wie in der Türkei, nur ohne Touristen dafür mit Wasser. Verschiedene Becken in unterschiedlichen Gelbtönen schmücken die Landschaft und laden zum Entdecken ein. Immer wieder eine Freude, wenn solche Abstecher direkt am Weg liegen.

Es folgen viele Kilometer kurvenlos durch flache steinige eintönige Wüste auf einer breiten asphaltierten Strasse in sengender Hitze. Einzige Schattenplätze bieten Tank- und Bushaltestellen. Eine zermürbende Strecke, wäre da nicht der Rückenwind. Dieser schiebt uns teilweise in rekordverdächtigem Tempo voran, so dass wir diese Strecke trotzdem bewältigen. An einer Tankstelle ca. 10km vor Yazd sitzen wir einmal mehr am Schatten, als ein deutsches Büsli anhält mit zwei Fahrrädern auf dem Dach. Zwei Fahrradgenossen aus dem Welschland haben sich für das Trampen entschieden, da der Wind seitlich kam und sie fast aus den Sätteln geblasen hat. Wir tauschen Nummern aus und werden uns später in Yazd wieder treffen. So bringen wir die letzten Kilometer unserer Fahrradreise hinter uns und erreichen die Wüstenstadt Yazd. So richtig euphorisch sind wir nicht, eher überwiegt die Freude, dass wir nun in einem klimatisierten Hotelzimmer abkühlen können. Im ganzen Fahrradalltag haben wir noch gar nicht richtig Zeit zu realisieren, dass dieses Kapitel nun abgeschlossen ist.

Yazd bietet genau was wir nun brauchen. Ein Hotelzimmer mit Klimaanlage und Dusche, nette Kaffees und Restaurants zum ausspannen und eine äusserts hübsche Altstadt. Auch diese Stadt gehört zum UNESCO Weltkulturerbe und der alte Kern ist dementsprechend gepflegt und erhalten. Schmale Gasen zwischen Lehmbauten, Windtürme und Zisternen, prunkvolle Moscheen und ein Bazar stehen zum Entdecken bereit. Die Windtürme dienten durch ein ausgeklügeltes System mit Zisternen zur Kühlungen der Behausungen und sind in der ganzen Stadt zu finden. In den hippen Kaffees verbringen wir die heissen Nachmittagsstunden und entdecken ein verstecktes Studentenkaffee, wo zu Klavierklängen die ganze Bar lauthals iranische Lieder singt. Ein schöner Abschluss unserer Fahrrad-, aber noch nicht das Ende unserer Iranreise.