Ein Abschiedsbrief

Mit diesen letzten Zeilen beenden wir den ersten Abschnitt unserer Reise. Die Reise mit dem Fahrrad. Ob wir dies wieder machen würden? Lest selbst...

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Liebe Fahrräder
3614.2 Kilometer. So weit habt ihr, unsere geliebten Stahlrösser, uns getragen. Dabei habt ihr uns nie im Stich gelassen, obwohl wir so einiges von euch gefordert haben. Doch euch ging auch auf den unbequemsten Strassen nicht einmal die Luft aus. So seid ihr zu treuen Begleiter eines Abenteuers geworden, dessen Geschichte sich tief in unsere Erinnerung eingeprägt hat.

Zugegeben, es war nicht immer die grosse Liebe. Es gab Momente, da hätten wir euch nur allzu gerne stehen gelassen und hätten uns nach einer gemütlicheren Art zu Reisen umgesehen. Dabei hätten wir aber so einiges verpasst, denn auf euren stählernen Rücken durften wir während den gut vier Monaten so einiges lernen.

Mit euch haben wir die Langsamkeit schätzen gelernt (obwohl wir mit der Zeit durchaus schneller wurden). Es bedeutet Zeit haben, die Dinge um einen herum auch wirklich wahrzunehmen. Das kleine Kaffee ums Eck, den lustigen Strassenhund,  den Baustil der Häuser, die wechselnde Vegetation oder die atemberaubende Landschaft. Hektik war ein Fremdwort für uns. Während wir in unseren Sätteln sassen, hatten wir Zeit, unseren Gedanken nachzugehen und das Erlebte zu verarbeiten. Und erlebt haben wir doch so einiges.

Eine unserer ersten Lektionen war die Abhängigkeit vom Wetter. Jeglichen Wetterbedingungen komplett ausgeliefert zu sein, war neu für uns. Ihr zwei lieben Stahlrösser habt uns durch Wind, Regen, Nebel aber auch durch die Hitze getragen und mit uns stürmische Gewitter ausgehalten. Das Wetter hat unsere Stimmung und unsere Route beeinflusst und wir haben gelernt, damit umzugehen, denn das perfekte Fahrradwetter gibt es selten.

Mit euch haben wir gelernt, weniger ist mehr. Wir haben (fast) nichts vermisst an materiellen Dingen und gelernt, uns einzuschränken, auch wenn wir auf einer zukünftigen Fahrradreise wohl Campingstühle einpacken würden.

Ihr habt uns gelehrt, was Distanzen, Höhenmeter und Steigungen wirklich bedeuten. Man fährt den Pass nicht einfach schnell hoch, man macht nicht kurz einen Abstecher von 50km, dies ist unter Umständen eine Tagesetappe. Die Berge hoch habt ihr euch wahnsinnig schwer angefühlt, umso grösser das Vergnügen, die Passstrassen wieder hinunter zu sausen. Dies hat uns ab und zu einen Jauchzer entlockt. 45'552 Höhenmeter haben wir zusammen bewältigt. Durch Hügel, Täler und Schluchten, über Autostrassen voller Abgas und menschenleere Offroad Pisten, alles habt ihr mitgemacht.

Vor allem aber durften wir mit euch Freiheit erleben. Auch wenn es sich zuerst einschränkend anfühlte, nicht jeden Abstecher machen zu können, verhalf es uns dazu, ganz im Hier zu sein. Unsere Wege brachten so viel Spannendes und Unerwartetes mit sich, dass wir gar nicht dazu kamen, den Dingen nachzutrauern, die wir vielleicht verpasst haben könnten. So wird das Einfach zum Highlight und das macht einen dankbar. Mit euch durch die Gegend zu fahren war trotz oder vielleicht gerade wegen den Prioritäten, welche wir setzen mussten, ein Freiheitsgefühl. Der Wind in den Haaren, die Sonne im Gesicht, ein gleichmässiges Strampeln, die schönsten Strecken und Landschaften, das ist Freiheit.

Mit einem Zweirad unterwegs zu sein können wir in einem Wort perfekt beschreiben: intensiv! War es zu Beginn vor allem intensiv für Gesäss und Muskulatur, haben wir im Verlauf dieser Reise so manches hautnah zu spüren bekommen. Es riecht nicht nur leicht nach Abgas, wir stecken mittendrin. Es gewittert, wir brauchen einen Unterstand. Es geht bergauf, wir müssen kämpfen. Es geht bergab, wir jauchzen. Wir durchqueren eine schöne Landschaft, wir schwärmen. Wir erreichen das Tagesziel, wir sind müde. Wir haben Gegenwind, wir sind verärgert. Wir haben spannende Begegnungen, wir sind begeistert. Mit euch, ihr Zweiräder, ist man an allem Nahe dran und das haben wir zu schätzen gelernt. Gerade die Nähe zu den Menschen ist begeisternd und lässt viele Begegnungen zu unterwegs. Ihr wurdet von vielen Menschen bestaunt und habt viele erstaunt.

Manchmal haben wir auch unseresgleichen getroffen.  Es waren nicht gerade viele Radreisende, insbesondere nicht solche, die auch länger unterwegs waren. Umso grösser die Freude, wenn man dann Gleichgesinnte traf. Man fühlte sich als Teil dieser kleinen Community, den Exoten unter den Reisenden, sofort verbunden.

Nun haben wir euch in Kreta verpackt und nach Hause geschickt. Ob dies eine gute Idee war, sind wir uns noch nicht so sicher. Wir vermissen euch bereits obwohl wir uns schon länger auch auf andere Transportmittel gefreut haben. Wir werden dies nun ausprobieren. Zum Glück seid ihr beide Zuhause gut aufgehoben und jederzeit startklar. Und wer weiss, vielleicht holen wir euch auch eher wieder als geplant. Ihr wart der perfekte Start in unser Reiseabenteuer und wir waren bestimmt nicht zum letzten Mal zusammen unterwegs. Bis dahin gute Erholung und machts gut!

Eure Steuerfrau und -mann,
Sara und Beni

P.S. Dies ist nicht das Ende des Blogs, nur ein neues Kapitel das nun auf uns wartet. Welches, wissen wir auch noch nicht genau.