Erste motorisierte Abenteuer
Auf gehts, wilde bezaubernde Küsten, erste Frühlingsboten, atemberaubende Sonnenuntergänge und eine der trockensten Regionen der Erde erwarten uns auf den ersten Kilometern mit Javier, unserem Auto.
Wir sind wieder unterwegs, endlich. Wie haben wir uns gefreut, nun endlich die Stadt und den Smog Santiagos zu verlassen und das Land mit unseren eigenen vier motorisierten Rädern zu erkunden. Es zieht uns zuerst nordwärts, denn der Süden des Landes steckt noch im Winterschlaf, deshalb muss Patagonien noch ein bisschen warten.
Die ersten Tage bringen wir einige Kilometer hinter uns und fahrender Küste entlang hoch. Wir lernen unser Auto und das Reisen damit kennen. Es fühlt sich an wie "Glamping". Plötzlich haben wir viel mehr Zeit als mit dem Fahrrad, können ohne Probleme schöne Stellplätze suchen, denn ein paar Kilometer mehr sind kein Problem, wir haben viel mehr Wasser, können in ein warmes Auto sitzen wenn uns kalt ist, haben einen Kühlschrank, viele Essensvorräte und vieles mehr. Unter den Auto- bzw. Vanreisenden gilt unser Gefährt als einfach ausgerüstet, doch für uns bedeutet dies bereits purer Luxus. Uns wird noch mehr bewusst, wie intensiv die Fahrradreise war. Und auch wenn wir diese Reiseart (meistens) geliebt haben, freuen wir uns jetzt an der Reise mit unserem Javier, so haben wir den Vierräder getauft.
In Chile ist das Wildcampen erlaubt und trotzdem werden wir bei unserem ersten Versuch an einem Strand zurückgepfiffen. Der freundliche Herr streckt uns irgend ein offiziell ausschauendes Dokument unter die Nase das besagt, dass an Stränden nicht gecampt werden darf. Zum Glück sind wir schon erfahren bezüglich Campen und lassen uns von diesem kleinen Zwischenfall nicht irritieren. Wir fahren etwas weiter und finden kurz darauf einen super Platz am Meer. Wildcamping Einstand bei Versuch Nummer zwei geglückt.
Die Landschaft wird zunehmend karger, hügeliger und ist mit Büschen und Kakteen gespickt. Der Norden, speziell die Region Atacama ist eine der trockensten der Welt. Wenn es im Winter jedoch regnet, entsteht das Phänomen der "Desierto Florido", der blühenden Wüste. Aktuell stehen die Chancen gut, dass dieses Spektakel auftritt, lassen wir uns sagen, was besonders für Sara ein echtes Highlight wäre. Ich nehme es vorne weg, leider verpassen wir die Hochsaison dieses Ereignisses, welches wohl erst in zwei bis drei Wochen beginnt. Aber trotzdem entdecken wir erste Vorboten. Überall keimen Pflanzen aus dem trockenen Boden, erste Sträucher blühen, scheinbar vertrocknete Büsche schlagen aus, wir können uns ansatzweise vorstellen wie es wohl sein muss, wenn die ganze Wüste mit Blumen übersät ist.
Die trockene Wüste hat aber auch ihren Charm. Die Küste ist gesäumt mit wunderschönen wilden weiten Stränden, wo wir regelmässig einsame Nächte unter der strahlenden Milchstrasse verbringen dürfen, denn die Region ist auch eine der besten für Astronomen. Zahlreiche Observatorien säumen unsern Weg, besucht haben wir (noch) keines. Morgens grüsst uns häufig eine dicke Nebeldecke, die Camanchaca (Finsternis), ein bekanntes Phänomen hier. Dank dieses Nebels, welcher sich meist mittags auflöst, können die wenigen Pflanzen und Tiere hier überhaupt überleben. Wir sind nicht sehr begeistert von diesem Nebel, aber im Sinne der Natur sind wir froh, dass es ihn gibt.
Nebst den Stränden queren wir hie und da ein Dorf, meist eher verschlafene Siedlungen, denn es ist komplett Off-Season und nicht viel los. Die meisten Restaurants sind geschlossen, nur wenig Einheimische sind unterwegs. Uns wird auch schnell bewusst, dass wir nun viel weniger Kontakt zu den Einheimischen haben als mit dem Fahrrad, was einerseits an der Mentalität aber auch an der Reiseart liegt. Die Chilenen erleben wir ähnlich wie die Schweizer, ausser dass sie deutlich freundlicher und hilfsbereiter sind. Lustigerweise scheint es ihnen schwer zu fallen, langsam Spanisch zu sprechen. Auch wenn wir darum bitten oder es offensichtlich ist, dass unser Spanisch begrenzt ist, wird derselbe Satz einfach genau gleich schnell und undeutlich wiederholt. Nun gut, wir geben unser Bestes und freuen uns über die Möglichkeiten, das Erlernte anzuwenden.
Der nördlichste Punkt dieses ersten Reiseabschnitts bildet der Park "Pan de Azucar". Eine positiver Nebeneffekt der Off-Season ist, dass wir keinen Eintritt bezahlen müssen und direkt beim Ausgangspunkt der Wanderung übernachten können. In dieser faszinierenden Region wo Wüste auf verschieden gefärbte Hügel trifft und die türkisfarbenen Wellen an die Küste prallen unternehmen wir mehrere Wanderungen/Spaziergänge. Dabei finden wir Quellen mitten in der Wüste, erspähen Guanacos (Stammform des domestizierten Lamas) oder die gar nicht scheuen Wüstenfüchse queren unseren Weg oder Lagerplatz. Welch schöne Überraschungen. Weniger schön dann die Aussicht bei der Plattform, wo man die ganze Küste sehen sollte. Der dicke Nebel einmal mehr unser Feind, er will auch nach einer Stunde Warten nicht verschwinden. Aber am nächsten Tag dürfen wir doch noch einen Teil dieses Panoramas bestaunen, von einem anderen Aussichtspunkt her gibt der Nebel Teile frei. So geniessen wir einige Tage im Park, bestaunen auch hier abends die Milchstrasse und andere uns nicht bekannte ferne Galaxien und sehen die schönsten Sonnenuntergänge unseres Lebens. Der Himmel verfärbt sich wirklich in alle Farben, was für ein Spektakel, welches nicht wirklich mit der Kamera festzuhalten ist (wir haben es versucht).
Dann drehen wir um und fahren wieder südwärts, wir haben bewusst einige Orte noch nicht besucht, damit wir auch bei der Rückfahrt etwas zu tun haben. Einer davon ist Choros, ein kleiner Küstenort welcher bekannt ist aufgrund der vorgelagerten Inseln. Dort hausen unter anderem Humbolt Pinguine, eine gefährdete Gattung der Brillenpinguine. Hier wird uns die Nebensaison zum Verhängnis. Viel zu teuer ist ein Boot für uns alleine und da auch nach einigen Stunden keine weitern Touristen auftauchen, verabschieden wir uns wieder ohne einen Pinguin gesehen zu haben. Zum Glück gibt es in Südamerika noch andere Orte, um diese zu sehen, denn das möchten wir unbedingt.
In La Serena, einer grösseren Stadt im Norden, holen wir uns ein Ersatzteil für das Auto ab. Nichts Schlimmes, aber eine kleine Aufwertung unseres Vehikels. Danach düsen wir zum nächsten Park, den "Bosque Fray Jorge". Obwohl das Schild einige Kilometer vor dem Eingang sagt, der Park sei geschlossen, fahren wir hin, denn wir haben bereits gelernt, das auf Schilder und andere Angaben nicht immer Verlass ist. Aber in diesem Fall stehen wir vor verschlossenen Toren. Wir postieren unser Auto beim Parkeingang zum Übernachten, als Abends ein Ranger (von gefühlt hunderten) auftaucht und uns erklärt, dass morgen der Park geöffnet sei. Perfekt, wir freuen uns. Am nächsten Tag also besuchen wir den Park der hoch oben auf dem Hügel liegt, es ist ein Nebelwald. Nebst der Natur gibt es hier vor allem auch Rangers zu sehen. An jeder Ecke steht einer, man kann nicht verloren gehen und sie sind der Anzahl Besucher klar überlegen. Der Park selber ist schnell gesehen, denn die Mehrheit der Wege ist gesperrt, aus unerklärlichen Gründen (vielleicht konnten sie nicht mehr Ranger auftreiben...). Man muss an dieser Stelle aber erwähnen, dass die Parks hier super gepflegt sind, Wege markiert und interessante Informationstafeln zu finden sind. Daher verstehen wir erst recht nicht, wieso so viele Angestellte auf Platz sind aber nun gut.
Am Ende dieser Schlaufe erreichen wir wieder unseren allerersten Wildcamping Platz und haben schon den ersten Abschnitt der Autoreise hinter uns. Welch böse Überraschung uns am nächsten Morgen erwartet, folgt im nächsten Blogeintrag. In diesem Sinne "Hasta luego".