Javier kanns. Und Beni auch.
Ja was Beni und Javier können ist Berge erklimmen. Javier hat den nötigen Motor und Beni das Fahrgefühlt, so dass wir auch entlegenere Regionen besuchen können, wie z.B. die Tolar Grande.
Endlich ist es soweit. Nachdem wir die Runde durch die Tolar Grande aufgrund von Autoproblemen zweimal verschoben haben, können wir endlich los. Wir sind ja keine Offroad Fanatiker und unser Auto ist für leichtes, aber nicht krasses Offroaden ausgerüstet. Die App iOverlander, wo man allerhand Informationen über Stellplätze, Sehenswürdigkeiten, Mechaniker und Routen findet, ist für jedermann zugänglich und daher sind Beurteilungen über Strecken immer mit Vorsicht zu geniessen. Einschätzungen der selben Strecke können meilenweit auseinander klaffen. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass das Mittelmass meist etwa der unseren entspricht. Daher erwarten wir viel Wellblechabschnitte, welche aber ohne 4x4 Antrieb zu bewältigen sind. Am meisten machen wir uns Sorgen über die Abgeschiedenheit, schliesslich verfügen wir über keine Satelittenkomnunikation.
Wasser-, Benzin- und Essvorräte sind gefüllt und wir verlassen Salta mit dem Wissen, dass wir noch einmal zurück kehren werden. Nach einer ersten Nacht unterwegs erreichen wir am nächsten Mittag San Antonio de los Cobres, ein kleines staubiges Städtchen, welches eine glorreiche Vergangenheit hat. Die Umgebung hat grosse Kupfervorkommen und die Stadt lag ein einer strategisch wichtigen Handelsachse, weshalb auch eine Zugstrecke durch den Ort führt. Heutzutage dient diese Strecke nur noch touristischen Zwecken. Mit dem "Tren de los nubes", dem Wolkenzug, kann man bis zu einem majestätischen Viadukt "La Polvorilla" hochfahren. Diesen Anblick lassen auch wir uns nicht entgehen, wobei wir mässig beeindruckt sind. Vielleicht sind wir bisschen zu fest verwöhnt von den schönen Viadukten in der Schweiz... Überigens haben wir schon einige Höhenmeter bewältigt bis zu diesem Punkt, dass Dorf befindet sich nämlich auf 3775müM.
Für einmal lassen wir freiwillig Luft ab, den die vielen Kilometer Wellblechstrecke lassen sich etwas angenehmer fahren mit weniger prallen Pneus. Es folgen Stunden durch karge, staubige Landschaften, wo uns immer mal wieder Laster entgegen fahren, welche die Rohstoffe der Minen abtransportieren. Diese Tatsache beruhigt uns, denn wir wissen, falls das Auto uns im Stich lässt, kommt bestimmt irgendwann wieder ein Lastwagen, welcher uns aus der Patsche helfen würde. Glücklicherweise sind wir darauf aber nie angewiesen. Die karge Landschaft mit viel Sonneneinstrahlung bietet auch Fläche für modernere Energiegewinnung wie Photovoltanikanlagen. Diese sind aber nicht etwa in argentinischen Händen, sondern offensichtlich stecken chinesische Unternehmen dahinter. Nicht das erste Mal, dass wir chinesische Unternehmen sehen, die hier investieren.
Die Nacht verbringen wir in Salar de Pocitos, ein paar Häuser in der kargen Landschaft. Auf Nachfrage schlagen wir unser Dachzelt im Innenhof einer Kirche auf, geschützt von den starken, kühlen Winden, welche am Abend über die Ebene fegen. Wenn wir solche abgeschiedenen Orte besuchen, versuchen wir uns oft vorzustellen, wie das Leben hier wohl aussieht. Wir benötigen viel Vorstellungskraft, uns einen Alltag hier vorzustellen, sieht unsere Lebenswelt doch sehr anders aus. Ausgeruht kriechen wir morgens aus dem Zelt und stellen uns erst mal in die Sonne. Die Nächte sind kühl in dieser Höhe.
Zwei Highlights erwarten uns bereits am Morgen der heutigen Fahrstrecke. Die "Desierto del Diabolo", dessen Name wahrscheinlich von der roten Farbe der Felsen inspiriert ist und etwas später die "Ojos del Mar". Diese türkisfarbenen Wasserlöcher mitten in der Wüste sind vor allem aus der Drohnenperspektive beeindruckend und beherbergen sogenannte Stromalithen. Wer genaueres dazu wissen möchte, fragt am besten Wikipedia...
Der Tag geht weiter, die Kilometer schaffen wir mal schneller mal langsamer. Immer wieder muss ein Fotostopp sein, die Gegend ist unglaublich schön. Zwischen den Hügeln befinden sich immer wieder sogenannte Salar, salzige, meist ausgetrocknete Flächen. An einer dieser Salars übernachten wir dann auch, denn dort befindet sich der "Cono de Arita". Verschiedene Mythen kreisen um die Entstehung dieses Kegels mitten in der "Salar de Arizaro". Wieso genau der Hügel in dieser Form dort entstanden ist, ist bis heute nicht genau geklärt, soweit uns bekannt ist. Wie fast immer in diesen Gebieten fegt ein zünftiger Wind über die Ebene und wir sind dankbar über unseren Stellplatzkollegen, welcher mit einem Pinzgauer reist. So stellt Friedel seinen Truck in den Wind und wir können unser Zelt in dessen Windschatten stellen. Gut so, denn wir möchten unbedingt den Cono im Morgenlicht bestaunen.
Der letzte Tag durchs Nichts ist nochmals viel fahren und diesmal verlangt die Strecke einiges an Fahrgeschick, doch Beni kennt das Auto inzwischen sehr gut und meistert die Strecken ohne Probleme. Wir überqueren den bisher höchsten Punkt unserer Reise mit 4600müM, ein Erinnerungsfoto darf nicht fehlen und wir sind stolz, dass Javier auch auf dieser Höhe noch viel Pfupf hat.
Ein letzter Abstecher wartet auf uns, bevor wir wieder asphaltierte Strassen unter den Rädern haben. "Campo de Piedra Pómez" nennt sich der Ort, wo eigenartige Gesteinsformationen in weisser Farbe zu finden sind. Der Weg dahin ist sehr sandig und Javier (und Beni) können ihre Fähigkeiten erneut unter Beweis stellen. Wir kommen ohne zu buddeln durch die sandigen Passagen, ein Erfolg. Auch diese Formationen waren den Abstecher wert.
Gegen Abend erreichen wir die asphlatierte Strasse, ein Wohlgefühl, ohne durchgerüttelt zu werden Kilometer abzuspulen. Eine erfreuliche Überraschung erwartet uns am Abend. Wir finden eine kleine Therme, welche gerade mal Fr. 2.- kostet zum Baden. Perfekt für uns, ein Waschgang tut gut und wir dürfen auch gleich dort übernachten.
Nun sind wir zurück auf der Strecke welche wir schon einmal durchgedüst sind, nur diesmal nehmen wir uns die Zeit, die Gegend zu erkunden. Je mehr wir uns Cafayate nähern, desto häufiger tauchen Weingüter am Strassenrand auf. Nebst Mendoza ist dies die zweit grösste Weinregion des Landes, die uns persönlich viel mehr zusagt als die Gegend rund um Mendoza. Die hügelige Landschaft ist mit Reben gespickt, dazwischen thronen eindrückliche, stilvolle Anwesen und Cafayate selbst hat eine überschaubare Grösse. Cafayate wird zum wahren Gourmet Highlight für uns. Den einen Tag verbringen wir mit Wein-, den anderen mit einer Käse Degustation. Dass wir langsam älter werden zeigt sich an der Freude, dass wir nun mehrmals ein Käseplättli mit gutem Wein geniessen können. Die typische Weinsorte in dieser Region ist übrigens der Torrontés, ein Weisswein, im Gegensatz zum roten Malbec, welcher der Stolz der Mendoza Region ist. Soviel für alle Weininteressierten.
Auf der Strecke nach Salta drängen sich immer wieder Stopps auf, denn die Landschaft ist sehenswert. Rote Felsformationen säumen die Strasse über Kilometer und auf den kleinen Spaziergängen lassen wir die Landschaft der "Quebrada las Conchas" auf uns wirken. Eine letzte Nacht vor Salta verbringen wir in Deutschland, jedenfalls fast. Der Ort Alemanía liegt am Weg und aus Neugier schauen wir vorbei. Ein klitzekleines Dörfchen mit einem schönen restaurierten Bahnhof, ein Zeichen aus früheren Zeiten. Da das Museum leider geschlossen ist, müssen wir uns auf Wikipedia schlau machen über die Geschichte. Die Zugstrecke sollte eigentlich von Salta nach Cafayate gebaut werden, wurde aber nie vollendet und seit Anfang der 1970er Jahre ist der Bahnverkehr komplett eingestellt. Seit damals ist die Bevölkerung drastisch zurückgegangen, so dass nur noch eine Handvoll Leute im Dorf leben. Wir stellen uns wieder einmal vor, wie der Ort wohl zu seiner Blütezeit ausgesehen hat, sind aber bei der Übernachtung froh, dass kein Zug mehr fährt, denn wir nächtigen direkt unter der Zugbrücke um Flussufer.
Und dann erreichen wir zum dritten Mal Salta, die Stadt im Nordwesten. Diesmal haben wir uns ein AirBnB etwas ausserhalb der Stadt gesucht, wo wir eine ganze Woche verweilen. Dies ermöglicht uns, organisatorische Notwendigkeiten zu erledigen wie Job suchen, den Autoverkauf aufgleisen oder die Bolivien Route planen. Und auch einfach wieder einmal etwas herunterfahren, nach Hause telefonieren und nichts Neues sehen. Danach haben wir ein nur ein Ziel, möglichst bald die Grenze nach Bolivien zu erreichen, was wir in zwei Fahrtagen auch schaffen.
Adios Argentinien, wir haben es genossen, insbesondere der Norden des Lands und die Benzinpreise haben es uns angetan. Zu genüge Fleisch gegessen, Lionel Messi an allen möglichen Orten/Plakaten/Produkten entdeckt, Wildcampen ohne jegliche Probleme und mit viel Goodwill der Einheimischen genossen und einmal mehr in Kontakt getreten mit der freundlichen, gutgesinnten und hilfsbereiten Bevölkerung, auch wenn der Akzent anfangs etwas gewöhnungsbedürftig war.