Seen sehen & Runden drehen
Nach unserer sechswöchigen Pause in Pucón, sind wir nun wieder auf vier Rädern unterwegs und fahren weiter in Richtung Süden und Patagonien. Dabei werden wir, mal mehr, mal weniger freiwillig ausgebremst...
Die Region, die wir als nächstes bereisen, heisst nicht umsonst "Región de los Lagos". Es reiht sich See an See so dass man glatt die Orientierung verlieren könnte, an welchem dieser Seen man sich nun befindet. Bevor wir mit der Seeentdeckung starten, besuchen wir zum aller letzten Mal unser Lieblingscafe in Pucón, welche nun wohl an Umsatz einbüssen wird, wenn unsere regelmässigen Konsumationen wegfallen. Sorry.
Wie wir uns fühlen nach sechs Wochen endlich wieder weiterzureisen? Fantatisch! Zwar haben wir die Zeit mit einem Dach über dem Kopf sehr genossen, aber nun haben wir langsam, aber sicher wieder ein Kribbeln in den Beinen und es ist an der Zeit weiterzuziehen und endlich Patagonien zu entdecken. Wir freuen uns riesig und sind wieder richtig im Entdeckermodus, genau wie es sein sollte. Da unsere Visa sowieso bald eine Verlängerung brauchen (ja, so lange sind wir schon in Chile), entscheiden wir uns, direkt in Richtung Argentinien loszufahren. Der regelmässige Leser erinnert sich vielleicht. Wir haben bereits einen erfolgslosen Versuch hinter uns, die chilenisch-argentinische Grenze zu passieren. Beim zweiten Anlauf funktioniert nun aber alles mit den Formalitäten und wir verlassen erstmals tatsächlich chilenischen Boden. Etwas schmunzeln müssen wir wegen der Strassenverhältnisse. Kaum erreicht man die argentinische Seite, verabschieden wir uns auch vom Asphalt. Kleiner Spoiler, auch bei den nächsten Grenzen ist die chilenische Seite stets asphaltiert und die argentinische Kiesstrasse. Man könnte nun schlussfolgern, dass in Chile alle Strassen asphaltiert sind, was überhaupt nicht der Fall ist. Aber der erste Eindruck zählt ja bekanntlich...
Der kleine Rundkurs durch Argentinien dient in erster Linie zur Verlängerung unseres Visums und ein kleiner Vorgeschmack auf unsere nächstes Reiseland. Wir freuen uns drauf, denn das Benzin kostet hier noch 1/3 und auch allgemein sind die Preise deutlich günstiger. Das Land durchlebt schon länger eine Wirtschaftskrise und eine massive Inflation. Ein offenes Geheimnis ist hier der "Blue dolar", ein inoffizieller Wechselkurs, welcher das ganze noch günstiger macht. Nach einer ruhigen Nacht an einem der schönsten Stellplätze bis anhin kehren wir zurück nach Chile, auch dieses Mal kurz und schnell ohne grosse Prozedur. Im Gegenteil, die Grenzbeamten sind äusserts freundlich und gesprächig. Das erste Dorf nach der Grenze ist von chilenischer Seite nur mit der Fähre erreichbar. Es liegt an einem schönen See, wirkt verschlafen und freundlich. Unsere Vorfreude auf Patagonien steigt, so haben wir uns das vorgestellt.
Nebst den Seen ist die Region geprägt von mächtigen Vulkanen, welche in den Himmel ragen und praktisch alle noch aktiv sind. Wir wollen daher hier unbedingt einen der vielen Nationalparks besuchen. Dumm nur, sind die Parkmitarbeiter zurzeit im Streik. Die einzige Auswirkung für uns ist jedoch, dass wir etwas weiter wandern müssen, da wir das Auto an der Schranke abstellen. Dafür bezahlen wir aber auch keinen Eintritt, denn es ist ja niemand da. Endlich wieder richtige Wanderungen in den Bergen. Während wir die Bewegung und die Aussicht geniessen, haben sich Saras Knie entschieden, es den Rangern gleichzutun und ebenfalls zu streiken. Sie beisst sich durch, aber so kann das nicht weitergehen. Aber für etwas hat man Freunde. Per Whatsapp wird professioneller Rat eingeholt und mit einigen Übungen, bei denen die Trinkflasche zur Black Roll umfunktioniert wird, tritt bald ein wenig Besserung ein. Damit ist Saras Morgenroutine für die nächsten Wochen gegeben und die Vorfreude auf die kommenden Wanderungen ist wieder da.
Doch dann der nächste Dämpfer. Nach dem Einkaufen lässt sich der Kofferraum nicht mehr schliessen. Dieses Problem hatten wir bereits einmal und da wir unmöglich mit einem Auto durch Südamerika reisen können, welches sich nicht schliessen lässt, muss es nun richtig gelöst werden. Wir klappern verschiedene Mechaniker ab, aber alle winken ab, zu kompliziert. Schlussendlich landen wir bei der «offiziellen» Toyota Garage. Dort wird schnell klar, dass der gesamte Schliessmechanismus ausgetauscht werden muss. Dieser ist aber natürlich nicht vor Ort verfügbar und muss bestellt werden. Und da natürlich auch gleich noch das Wochenende beginnt, heisst es für uns vier Tage Warten. Nach dem anfänglichen Frust entschliessen wir uns, die Gegend mit ihren riesigen Seen und pikaresken Dörfern zu entdecken. Diesen kann man den deutschen Einfluss ihrer Gründerväter immer noch gut ansehen und so lernen wir einiges über die Geschichte dieser Region. Trotzdem haben wir es bald einmal gesehen. Dazu kommt, dass es sich nicht gerade einfach gestaltet, einen geeigneten Standplatz zu finden, da das meiste Land eingezäunt ist. Nach langem Suchen entscheiden wir uns daher eines Abends, unser Dachzelt auf einer Farm aufzustellen, die dies in einer App für Reisende anbietet. Dort angekommen, ist bereits ein richtiges Barbecue in Gange. Die Besitzer, zwei Neuseeländer mit ihren Kindern, kehren zwei Tage später in die Heimat zurück und wir treffen sie bei ihrem Abschiedsessen an. Wir werden sofort eingeladen mitzuessen. Auf dem Grill, welcher ein ganzer Autoanhänger ist, schmort ein Rind vom Hof, welches gleichentags geschlachtet wurde. Wir geniessen das Essen und die Gemeinschaft, die mehrheitlich englischsprachig ist, so dass für einmal auch Beni so richtig mitreden kann.
Nach diesem Highlight geht es für uns zurück nach Osorno, wo wir für zwei Nächte ein Zimmer genommen haben, um zu Waschen, Duschen und auf das Eintreffen des Ersatzteiles zu Warten. Dieses trifft tatsächlich auch zur angegebenen Zeit ein und so können wir unser Auto zur Reparatur vorbeibringen. Wir wollen auch gleich noch eine Dichtung ersetzen, welche wir ebenfalls bestellt haben. Diese soll gegen Abend dann eintreffen. So heisst es erneut Warten. Die Zeit nutzen wir, um für unseren Javier einen Zweitschlüssel anfertigen zu lassen. Seit sich Beni in Pucón aus dem Auto ausgeschlossen hatte und wir in der Folge den Schlüsseldienst aufbieten mussten, war diese Sicherheitsmassnahme definitiv angezeigt.
Doch zurück zur Werkstatt. Als die bestellte Dichtung dann auch wirklich eintrifft, stellt sich heraus, dass es die Falsche ist. Natürlich wären sie gerne bereit, die Richtige nun auch noch zu bestellen, was wir aber dankend ablehnen. Wir haben genug gesehen und wollen endlich weiter. So muss ein bisschen Klebeband auch reichen. Wir verlassen Osorno etwas ärmer, dafür mit einem Auto, bei dem nun auch der Kofferraum tadellos funktioniert und sogar wieder an die Zentralverriegelung angeschlossen ist. Irgendwie auch schön.
Wir fahren als endlich wieder in Richtung Süden, aber nicht sehr weit. Doch der Stopp hat diesmal einen schöneren Grund. Ein Kollege von Beni und seine Freundin, Manu und Céline, bereisen ebenfalls Patagonien und sind gerade in derselben Gegend. So verabreden wir uns in einer Brauerei, welche verschiedene Biere lokal produziert. Neben dem vorzüglichen Gerstensaft geniessen wir es auch wieder einmal in Schweizerdeutsch zu sprechen. Geschlafen wird direkt auf dem Parkplatz, was bei der Null-Promille-Grenze in Chile auch angezeigt ist. Ein weiterer Vorteil davon zeigt sich dann am nächsten Morgen. Bereits um sieben heisst es nämlich Aufstehen für uns, denn die Schweiz spielt ihr erstes Gruppenspiel an der WM gegen Kamerun. Nachdem wir die erste Hälfte auf dem Laptop mitverfolgen, dürfen wir den zweiten Teil dann in der Brauerei auf dem grossen Screen schauen. Nun kommt trotz der ungewohnten Anspielzeit noch etwas Fussballstimmung auf. Dabei hilft es sicher, dass die Schweiz siegreich aus dieser Begegnung hervorgeht.
Danach heisst es leider aber bereits wieder Abschied nehmen. Denn während Manu und Céline bereits auf die Fähre gehen, steht für uns noch ein Highlight an, auf welches wir uns schon länger gefreut haben. Wir wollen nämlich für ein paar Tage nach Cochamó. Dort gibt es ein Tal, welches als wahres Wander-Mekka gilt. Nur zu Fuss zugänglich, liegt es eingebettet zwischen steil aufragenden Granitwänden. Wohl daher wird es auch der chilenische "Yosemite". Man kann von solchen Vergleichen und ihrer Sinnhaftigkeit halten was man will, aber atemberaubend schön ist es auf jeden Fall!
Wir haben entschieden, uns gleich für drei Nächte von Javier zu trennen und wieder mal im Zelt zu schlafen. Genug Zeit also, um die verschiedenen Trails zu begehen. Eins haben alle gemeinsam: Es geht steil nach oben und aufgrund des besonders harten Winters liegt vielerorts noch Schnee, so dass es Teils gar nicht ganz einfach ist, auf dem Weg zu bleiben. Die Abgeschiedenheit und atemberaubenden Aussichten machen die Anstrengungen aber mehr als wett und sehr zu unserer Freude macht auch Saras Knie wieder mit. Drei Tage Sonne und Berge. Erfüllt nehmen wir den Abstieg in Angriff.
Nun heisst es ab nach Puerto Montt, wo wir über Nacht die Fähre nach Chaitén nehmen. Dort wartet die Carretera Austral darauf, von uns entdeckt zu werden!